„Seit 25 Jahren werden alle Leitungen von den Mitarbeiter:innen der Netzdokumentation digital erfasst“, erzählt Andreas Mätzler. Neben dem Leiter der Geoinformatik macht Sebastian Drexel das Tablet und den GPS-Empfänger einsatzbereit. Sekunden später werfen wir einen Blick ins Erdreich. Von den 10.795 Kilometern an Stromleitungen der Vorarlberger Energienetze GmbH verlaufen 94,4 Prozent unterirdisch. Erdgas wird auf 2.545 Kilometer Länge zur Gänze im Boden transportiert. Nur wo genau? Das lässt sich heute – auch dank Augmented Reality (AR) – zentimetergenau betrachten. Neben der innovativen Technologie spielen natürlich auch digitale 2D-Pläne eine wichtige Rolle.
Hohe Hürde der Akzeptanz
Diese sind in ihrer Darstellung oft an alte analoge Pläne angelehnt, die man sich getrost als Kunstwerke vorstellen darf. Die kleinste Rundung ganz exakt, mit spitzer Tuschefeder dem starken Papier anvertraut… Entsprechend skeptisch waren die Zeichner:innen.
Die digitalen Pläne wurden erst dann akzeptiert, als sie besser waren als das beste analoge Vorbild.
ANDREAS MÄTZLER Leiter der Geoinformatik illwerke vkw
Seit wenigen Jahren können die Früchte der Arbeit geerntet werden, zum Beispiel im Rahmen des Augmented Reality – Innovationsprojektes. Die Technologie macht den digitalen Schatz für die Techniker:innen vor Ort nutzbar. Wie? Drexel klemmt sich das Tablet unter den Arm und schultert den GPS-Sender im Rucksack.
Draußen vor der Tür gibt das Tablet den Blick in den Untergrund frei. Drexel spaziert quasi sichtbar über Leitungen, die metertief im Boden liegen. Noch eindrucksvoller wirkt das, schaut er durch die AR-Brille. Dann wird alles vollkommen plastisch. „Vor wenigen Wochen haben wir mit einem Hochspannungstechniker eine 110-kV-Kabeltrasse im Allgäu so betrachtet. Der war begeistert.“ Kunststück: Früher hätte er draußen auf der Wiese Planrollen zurate gezogen und – sofern er schon länger im Geschäft ist – sein Erfahrungswissen. „Die Älteren waren noch dabei, als die Kabel gelegt wurden, die Jungen nicht.“ Die mobile Technologie gleicht die fehlende Erinnerung der Nachwuchskräfte aus. Eine weitere Einsatzmöglichkeit bietet sich im Erdgasbereich – auch in dieser Sparte müssen unterirdisch verlegte Leitungen des Öfteren aufgesucht werden.
Aber nicht nur das. Drexel sieht am Tablet, dass zwei Meter vor ihm ein Schacht in die Tiefe führt. Ein Klick, und alle relevanten Informationen erscheinen am Bildschirm. Er könnte ebenso schnell die Zentrale zurate ziehen, wo ein:e Kollege:in auf Knopfdruck dasselbe Bild sieht und Detailfragen online beantworten kann. Alles wird so einfacher und schneller. „Im Herbst werden wir mit mehreren Hochspannungstechniker:innen die nächste Begehung durchführen.“ Gründlich erprobt die illwerke vkw die neue Technik, um alle Vorteile der Technologie zu nutzen.
Online einsehbar
Dass die digitalen Pläne des Leitungsnetzes seit April 2017 via Internet für jedermann einsehbar sind – „als öffentlicher Energielieferant haben wir eine Auskunftspflicht“ – hat bereits 2000 Anwender:innen glücklich gemacht. „Es sind vor allem Bauträger:innen, die unsere Pläne nutzen.“ Adresse: https://leitungsauskunft.vorarlbergnetz.at. „Das vorhandene Know-How bieten wir auch externen Partner:innen im Rahmen unserer Dienstleistungen an“, so Andreas Mätzler. So nutzen schon über 70 Vorarlberger Gemeinden und andere Leitungsbetreiber die angebotenen Services.
Wie findet die illwerke vkw die nötigen Spezialisten:innen am Arbeitsmarkt? „Einerseits bilden wir – soweit es geht – selber junge Leute aus“, so Mätzler. Zwei junge Leute erlernen gerade den neuen Lehrberuf des Geoinformatikers, einer kommt im September dazu. „Andererseits stoßen Absolvent:innen von fachrelevanten Studien zu unserem Team hinzu.“ Eine Vorgehensweise, die im Konzern illwerke vkw gelebt wird. So wird aus dem Coding Campus des Digital Campus Vorarlberg ein Student im Unternehmen praktische Erfahrung sammeln.
Auch in anderen Bereichen von illwerke vkw wird Augmented Reality erprobt. Die IT-Lehrlinge haben eben in einem eigenen Projekt den Kugelschieber des Obervermuntwerk II digitalisiert. Jetzt kann jedermann mit der AR-Brille um das gewaltige Bauteil herumgehen und es mit zwei Fingerspitzen in seine Einzelteile zerlegen. Das sieht gespenstisch aus. Wer sich die Brille aufsetzt, dem schwebt der Kugelschieber mit einem Mal vor der Nase, als hätte ihn eine Geisterhand aus dem Kraftwerk hier ins Büro geholt. In Science-Fiction-Filmen ist das Alltag. In der Gegenwart bald auch.