Es ist ein Tag wie jeder andere im Notariat: Das Telefon klingelt, der Geruch von Kaffee, die Routine. Claudia ist seit 15 Jahren dabei, sorgt dafür, dass nichts liegen bleibt, hält Prozesse am Laufen. Es sind vertraute Abläufe – und doch wächst in ihr seit einiger Zeit die Frage: War das schon alles?
Claudia hat Mathe studiert. Sie denkt in Lösungen, nicht in Ausreden.
Als die Pandemie das Land ins Wohnzimmer verbannt, ist sie vorbereitet – sie hat einen Laptop, ein wenig Zeit und Hunger auf mehr als Netflix.
Ein Onlinekurs an einer spanischen Universität flackert über den Bildschirm: Java. Zuerst klickt sie sich neugierig durch die kostenlosen Module, merkt schnell – das will sie ernsthaft können. Claudia entscheidet sich, die gebührenpflichtige Variante anzuhängen, kämpft sich durch komplexere Aufgaben und erhält am Ende ihr Zertifikat. Ein kleiner Sieg – und trotzdem: In Vorarlberg weiß keiner so recht, was mit dem spanischen Zettel anzufangen. Bewerbungen laufen ins Leere.

Da stolpert Claudia über den berufsbegleitenden Diplomlehrgang vom Digital Campus Vorarlberg. Ein Jahr Ausbildung zur Software Developerin, finanziert zur Hälfte vom AK-Stipendium. Die Kinder sind groß, der Mann ist auf ihrer Seite. Sie meldet sich an, informiert ihren Arbeitgeber – und stellt das eigene Leben auf Update. Dank Teilzeit passen die Kurszeiten gut in den Alltag, doch einfach ist es trotzdem nicht. „Was ich unterschätzt habe: wie sehr die Organisation am Ende an mir hing“, sagt Claudia. Die Aufgaben zu Hause werden neu verteilt und es funktioniert irgendwie. Im Lehrgang trifft sie einen bunten Mix an Menschen, die genauso Lust auf Veränderung haben: Köche, Maturantinnen und Ingenieure. Sie alle wollen lernen, Codes und damit die eigene Geschichte neu zu schreiben. Am meisten begeistert sie das Abschlussprojekt: „Da konnte ich mich richtig reinknien.“
Ein Jahr später hält sie dann ihr neues Diplom in den Händen, diesmal aus Vorarlberg – und steht erneut an einer Schwelle. Wer Claudia nach ihrem Alter fragt, bekommt ein vages „Vierzig und ein paar Zerquetschte“. Claudia weiß, sie muss jetzt springen. „Ab fünfzig wird es hart am Arbeitsmarkt“, sagt sie. Also jetzt. Bewerbungen folgen, Interviews. Zehn Unternehmen, drei Gespräche, ein Treffer. Heute testet sie Softwares bei einem großen Maschinenbauer – wie der heißt, verrät sie lieber nicht, Probezeit.
Und das Notariat? Claudia lächelt: „Ich habe mein Offboarding selbst organisiert, daher lief es auch glatt.“ Sie ist Realistin – und Optimistin. „Programmieren kann jeder. Sich trauen, das ist die eigentliche Kunst.“ Und damit fängt für sie das nächste Kapitel an.