Mein Name ist Stasya, ich bin 18 Jahre alt. Ich wurde in der Ukraine geboren und bin in der Stadt Lyman in der Region Donezk aufgewachsen. Das war eine ganz normale, kleine Stadt, in der ich zur Schule ging, Freund:innen hatte und mein gewohntes Leben führte. Doch plötzlich änderte sich alles. Der Krieg zwang meine Mutter und mich, unser Zuhause zu verlassen und nach einer neuen Zukunft zu suchen. Wir standen vor der Wahl: in der Unsicherheit zu bleiben oder den Schritt ins Unbekannte zu wagen und in ein Land zu gehen, über das wir fast nichts wussten. So sind wir nach Österreich gekommen.
Unser Weg hierher war nicht einfach. Wir trafen Menschen, die gezielt nach Österreich wollten, und sie boten uns an, mitzukommen. Sie hatten Kontakt zu der Freiwilligen Eva King, die zu dieser Zeit Ukrainer:innen beim Ankommen unterstützte. Obwohl wir uns noch in der Ukraine befanden, entschieden wir uns: Wir fahren. Das war ein Schritt ins Unbekannte, aber gleichzeitig auch eine Chance.
Erste Eindrücke und eine neue Welt
Als wir ankamen, war ich überwältigt von der Schönheit der Natur. Österreich – das sind Berge, grüne Wiesen, Seen und frische Luft. Aber noch mehr überraschten mich die Menschen: Sie waren offen, freundlich und hilfsbereit. Schon so einfache Dinge wie ein Lächeln im Supermarkt oder ein Gruß auf der Straße gaben mir das Gefühl, dass wir nicht allein sind. Essen, Kultur, Atmosphäre, alles war neu und spannend. Trotz Angst und Unsicherheit hatte ich von Anfang an einen positiven Eindruck von diesem Land.
Leben ohne Sprache
Die größte Hürde war die Sprache. Mit 15 Jahren konnte ich kein einziges Wort Deutsch. Alles, was ich hörte, klang für mich wie ein Rauschen. Selbst einfache Dinge waren schwer zu erklären. Deshalb beschloss ich, so schnell wie möglich die Sprache zu lernen. In nur einem Sommer schaffte ich das Niveau A1. Das war nicht leicht, aber ich hatte mir ein Ziel gesetzt und ich habe es erreicht.
Doch je höher das Niveau wurde, desto schwieriger wurde es auch. A1 und A2 waren noch verständlich, aber ab B1 und B2 wurde es richtig kompliziert: mehr Regeln, längere Sätze, schwierige Wörter. Der Schulunterricht war eine echte Prüfung: Meine Mitschüler:innen waren Muttersprachler:innen, sie verstanden alles sofort, und ich fühlte mich oft verloren. Im ersten Jahr hatte ich schlechte Noten. Nicht, weil ich mich nicht angestrengt habe, sondern weil ich die Sprache kaum verstand. Oft wusste ich nicht einmal genau, was ich eigentlich tun sollte. Das war sehr frustrierend, und ich fühlte mich häufig verloren. Jeden Tag kam ich erschöpft nach Hause und weinte oft.
Mein Weg am Digital Campus Vorarlberg
Grafikdesignerin zu werden, hatte ich ursprünglich nicht geplant. Diese Idee kam durch die ehemalige Direktorin AK Vorarlberg Eva King, die mir eine Lehrstelle am Digital Campus Vorarlberg vorschlug. Ich stimmte zu, ohne überhaupt zu wissen, was mich erwartet. Einen Beruf zu beginnen, von dem man keine Ahnung hat – und das noch in einer Sprache, die man kaum versteht, war beängstigend.
Meine ersten Aufgaben waren Testprojekte: Arbeiten in InDesign, Illustrator, Photoshop. Später kam auch Canva dazu. Am Anfang fühlte es sich wie ein Spiel an, doch Schritt für Schritt verstand ich, dass es eine ganze Welt ist. Ich lernte, Druck- und Digitaldesigns zu erstellen und half dabei, Kurse auf die Website zu stellen. Meine ersten Ausbilderinnen waren Christina Branner bei der AK Vorarlberg und später Sarah Lechner am Digital Campus Vorarlberg. Sie erklärten mir geduldig die Grundlagen, Schritt für Schritt, und dank ihrer Unterstützung lernte ich, mit professionellen Programmen zu arbeiten.
Die Kolleg:innen am Digital Campus Vorarlberg wurden für mich wie eine zweite Familie. Sie halfen mir nicht nur bei Aufgaben, sondern auch bei der Sprache. Sie erklärten mir jedes Wort, jedes Komma – und dadurch lernte ich schneller. Ich war nicht einfach nur ein Lehrling, ich fühlte mich als vollwertiger Teil des Teams.
Persönliche Entwicklung
In diesen Jahren habe ich mich mehr verändert, als ich je gedacht hätte. Ich bin selbstbewusster geworden. Früher hatte ich Angst, auf Deutsch zu sprechen, aus Sorge, dass man mich auslacht. Heute kann ich entspannt Gespräche führen, Ideen einbringen und sogar Diskussionen leiten. Natürlich mache ich noch Fehler und kenne nicht alle Wörter – aber ich habe aufgehört, mich dafür zu schämen.
Auf zwei Dinge bin ich besonders stolz:
- Ich habe das B2-Niveau in Deutsch erreicht.
- Ich habe meine Abschlussprüfung bestanden und einen Beruf erlernt.
Als ich ankam, hätte ich nie gedacht, dass das möglich wäre. Ich war kurz davor, alles hinzuschmeißen, einfach von der Sozialhilfe zu leben oder sogar zurück in die Ukraine zu gehen. Doch ich habe durchgehalten und jetzt habe ich eine Ausbildung, Wissen und Erfahrung.
Meine Träume und die Zukunft
Heute habe ich neue Ziele. Früher wollte ich nur Tätowiererin werden. Dieser Traum ist immer noch da, und vielleicht mache ich eines Tages eine Ausbildung in diesem Bereich. Aber jetzt habe ich viele weitere Pläne: Ich möchte weiterlernen, neue Berufe ausprobieren – vielleicht in der Kosmetik, vielleicht im Design oder Marketing. Ich möchte in eine große Stadt ziehen, nach Wien oder Graz und dort mein Leben aufbauen.
Gleichzeitig wünsche ich mir auch eine kleine Pause. Die letzten drei Jahre waren sehr intensiv: Schule, Arbeit, Sprache. Manchmal denke ich, dass ich mir eine Auszeit verdient habe. Aber ich weiß, dass ich nicht lange stillstehen kann. Ich will weitergehen, immer einen Schritt nach vorne.
Meine Botschaft an andere
Meine Geschichte zeigt: Es gibt nichts, was unmöglich ist. Auch wenn du bei null anfängst, ohne Kenntnisse, ohne Erfahrung, auch wenn alles schwer erscheint, du kannst es schaffen. Man muss sich motivieren, Ziele setzen und niemals aufgeben.
Ich wünsche mir, dass Menschen, die meine Geschichte lesen, sich darin wiederfinden. Dass sie glauben: Wenn ich es geschafft habe, dann schaffen sie es auch. Das Wichtigste ist, an sich selbst zu glauben und Schritt für Schritt weiterzugehen.



